Historische Grabsteine neben der Eicher Kirche

Im Jahr 2001 wurden auf dem Platz neben der Kirche elf alte Grabsteine, die umgestürzt und von Sträuchern überwuchert waren, freigelegt und neu aufgestellt. Das Grabsteinfeld bildet eine lokale Erinnerungsstätte, welche die Lebensumstände von Dorfbewohnern seit dem frühen 18. Jahrhundert widerspiegelt. Die Grabmäler werfen ein Licht auf 300 Jahre der dörflichen Geschichte. Sie erinnern an Männer und Frauen, die hier gelebt und gearbeitet haben, und sie geben Auskunft über die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Härten des Schicksals, die Formen der Trauer und die Erwartungen an die Zukunft.

Die Rekonstruktion des Grabsteinfelds erfolgte mit Unterstützung durch Pfarrer Otto Löber und den Kirchenvorstand Armin Dörr. Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt Nidderau führten die Erdarbeiten und das Aufstellen der Grabsteine aus. Die so geschaffene Erinnerungsstätte wurde am Volkstrauertag des Jahres 2001 in Anwesenheit von Bürgermeister Gerhard Schultheiß der Öffentlichkeit vorgestellt. Die biographischen Daten zu den Personen wurden ermittelt von Jürgen Müller.

1) Mathias Martin (geb. 1870)

Von Mathias Martin wissen wir nichts außer seinem Namen, seinem Geburtsjahr und der Tatsache, dass er in Eichen bestattet wurde. Von seinem Grabmal ist nur noch das Fragment eines steinernen Grabkreuzes erhalten. In den Kirchenbüchern der Pfarrei Eichen findet sich kein Eintrag zu Mathias Martin, weder im Geburts- noch im Sterberegister. Möglicherweise war Martin nicht protestantisch, sondern katholisch. Ein Indiz dafür wäre, dass der Nachname Martin heute so wenig wie damals in Eichen vorkommt, wohl aber in Heldenbergen und Ostheim. Der erhaltene Teil des offenbar zierlichen Grabkreuzes könnte vielleicht darauf hindeuten, dass es sich um ein Kindergrab handelte. Hielten sich seine Eltern nur kurz in Eichen auf und wurde Mathias Martin – aus welchem Grund auch immer – auf dem Kirchplatz in Eichen beerdigt?

2) Johann Conrad Lind (1705–1758)

Das älteste erhaltene Grabmal stammt aus dem Jahr 1758. Es ist nur noch als Fragment erhalten. Die Inschrift ist stark verwittert und nur teilweise lesbar. Gewidmet ist der Grabstein Johann Conrad Lind. Er starb am 16. Januar 1758  im Alter von 52 Jahren „an einer starken Brustschwachheit“, wie es im Kirchenbucheintrag heißt. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Lungentuberkulose oder, wie es im Volksmund hieß, die Schwindsucht. Diese hochansteckende Krankheit war vor der Entdeckung der Antibiotika und der Entwicklung von Impfstoffen in Mitteleuropa die häufigste Todesursache. Dafür, dass Eichen im Winter 1757/58 von der Tuberkulose heimgesucht wurde, sprechen mehrere Einträge im Totenregister, bei denen ähnlich wie bei Johann Conrad Lind von „Brustschwachheit“ und „Engbrüstigkeit“ die Rede ist.

3) Anna Maria Lampert (1746–1776)

Nur 29 Jahre alt wurde Anna Maria Lampert. Geboren am 25. November 1746 in Eichen, starb sie schon am 27. Februar 1776. Ihre Eltern waren der Leinweber Johann Conrad Scharfenberger und seine Frau Anna Christina, geborene Will. Von Beruf Leinweber war auch Johann Friedrich Lampert, mit dem Anna Maria am 10. November 1774 die Ehe einging. Nur 15 Monate später verlor Lampert seine junge Ehefrau. Auf dem Grabstein würdigte er das kurze Leben Anna Marias mit einer ungewöhnlich ausführlichen Inschrift, und auch die künstlerisch auswändige Gestaltung des Grabsteins zeigt die Absicht, der Verstorbenen ein besonders schönes Denkmal zu setzen.

Die Inschrift auf dem Grabstein lautet:

Vorderseite:

„Hier ruhet bis zur frohen Auferstehung der Gerechten in Jesu ihrem Heilande Anna Maria Lampertin des hiesigen Einwöhners u. Leinwehbers Joh. Friedrich Lamperts ehel. Hausfrau. Sie erblickte das Licht der Welt 1746 d. 15. Novbr. Ihre Eltern waren Joh. Conrad Scharffenberger Mitnachbar u. Leinweber hieselbst, und Anna Christina, eine gebohrne Willin. Unter vätterlichem Consens ließ Sie sich mit obengedachtem Joh. Friedrich Lampert in ein Christl. Eheverlöbniß ein, welches dann auch den 10. Novbr. 1774 durch priesterl. Copulation bestätigt wurde. Lebte mit demselben in einer zwar friedlich – aber sehr kurzen Ehe, indem es dem Allmächtigen gefiel, Sie nach einer in die 23. Wochen andauernden Ehe […]“

Rückseite:

Lern Sterblicher / bei meinem frohen Grabe / was sei der Menschen Leben / ein eitel nichts ein Traum / und wie ein schneller Wind; / Gott der es uns aus freyer Gnad / und Lieb hat wollen geben / Nimmts oft schon wieder hin / wann wir kaum worden sind / […] von mir ich […] ein Mensch / […]

Die letzten Worte sind unlesbar, da der Stein am unteren Ende stark verwittert ist.

4) Elisabeth Maria Adam (1870–1948) und Heinrich Wilhelm Adam (1866–1942)

Elisabeth Maria Adam entstammte der bekannten Familie Laubach. Ihr Vater war der Landwirt Heinrich Wilhelm Laubach (1835–1906), der seinem Vater Konrad (1815–1877) als Bürgermeister von Eichen gefolgt war. Durch ihre Mutter Johanna war Elisabeth Maria Adam mit der Familie Wörner verbunden, die schon seit Ende des Dreißigjährigen Krieges in Eichen ansässig ist.

Elisabeth Maria Laubach wurde am 26. August 1870 geboren. Im Alter von 21 Jahren heiratete sie am 27. September 1891 den Landwirt Heinrich Wilhelm Adam (1866–1942), der nach dem Tod seines Schwiegervaters nun seinerseits das Amt des Bürgermeisters in Eichen übernahm. Die Ehe von Elisabeth Maria und Heinrich Wilhelm Adam dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert. 1941 konnten sie noch die Goldene Hochzeit feiern, kurz bevor ein Jahr später Heinrich Wilhelm verstarb. Seine Frau lebte noch sechs Jahre länger. Die Eheleute wurden zusammen in einem Doppelgrab bestattet.

5) Familie Stein

An der nördlichen Mauer des Kirchplatzes fand sich ein umgestürztes Grabkreuz aus schwarzem marmor mit der Inschrift: „Ruhe- und Gedächtnisstätte Familie Stein“. Die Familie Stein lebt schon lange in Eichen und ist weitverzweigt. Familiengrabstätten waren früher dem Adel und den bedeutenden Bürgerfamilien vorbehalten. Sie demonstrieren familiäre Verbundenheit über mehrere Generationen hinweg. Auf dörflichen Friedhöfen findet man derartige Einrichtungen selten.

6) Anna Magdalena Laubach (1726–1807) 

Die Lebensspanne von Anna Magdalena Laubach war für die Verhältnisse des 18. Jahrhunderts ungewöhnlich lang. Sie erreichte das Alter von 81 Jahren, möglicherweise auf den Tag genau, denn sie wurde getauft am 3. März 1726 und verstarb am 2. März 1807. Anna Magdalena gehörte der reformierten Kirche an und entstammte einer der ältesten Eicher Familien. Bereits im 17. Jahrhundert tauchte der Name Laubach in Eichen auf, und noch heute gibt es im Ort viele Einwohner, die diesen Namen tragen. Etliche Laubachs dienten der Gemeinde als Bürgermeister, Gerichtsschöffen und Kirchenälteste.

7) Philipp Friedrich Zeh (1865–1955)

Der Landwirt Philipp Friedrich Zeh wurde am 16. Januar 1865 in Kilianstädten geboren. Im Jahr 1895 heiratete er die Tochter des Eicher Bauers Konrad Kuhn (1839–1922), Katharina Maria Kuhn (1863–1941). Das Ehepaar Zeh wohnte in der Mühlgasse 5, in der heute so genannten alten Mühle, die an den Kirchplatz grenzt. Nach 46 Ehejahren verlor Philipp Friedrich Zeh seine Frau, die am 15. Juli 1941 im Alter von 78 Jahren verstarb. Philipp Friedrich Zeh wurde 90 Jahre alt und verstarb am 6. März 1955. Der Grabspruch stammt aus dem Ersten Buch Moses, Kapitel 8, Vers 22:

„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“

8) Elisabeth Katharina Leichner (1872–1960)

Elisabeth Katharina Leichner wurde am 13. März 1872 in Eichen geboren. Ihre Eltern waren der Stellmacher Heinrich Kuhn (1834–1903) und seine Frau Elisabeth, geb. Pfarr aus Mömbris in Bayern. Elisabeth Katharina wurde Hebamme und übte diesen Beruf über Jahrzehnte hinweg in Eichen aus. Viele der heute noch lebenden älteren Einwohnerinnen und Einwohner Eichens wurden unter ihrer Mithilfe auf die Welt gebracht. Elisabeth Katharina Leichner war seit 1898 verheiratet mit dem Fräser Johann Konrad Leichner (1875–1945).

9) Marie Wilhelmine Gast (1896–1954)

Marie Wilhelmine Gast wurde am 20. März 1896 als Tochter des Maurers Heinrich Peter Gast und seiner Frau Katharina, geb. Stock geboren.Von 1911 bis 1917 erlernte sie im Krankenhaus in Laubach und anschließend im Hanauer Diakonissenhei den Beruf der Krankenpflegerin. Von 1919 bis 1951 war sie in Eichen als Gemeindeschwester tätig. Sie gehörte dem Kirchenvorstand an und war auch Mitglied des Kirchenkreisvorstandes. Marie Gast, die so viele Leidende gepflegt und betreut hatte, verstarb nach schwerer Krankheit am 19. Januar 1954 im Alter von 57 Jahren. Pfarrer Wolfgang Zeihe, der 1957 eine Familienchronik für Eichen und Erbstadt veröffentlichte, würdigte sie als eine fröhliche Person, die für die Gemeinde Eichen tätig war, „bis sie nicht mehr konnte“.

10) Karl Wilhelm Castendyck (1875–1947), Minna Castendyck (1878–1942) und Berta Meyer (1848–1929)

Karl Wilhelm Castendyck war von 1914 bis 1938 Gemeindepfarrer in Eichen und Erbstadt. Mit seiner Frau Minna und deren Mutter Berta bewohnte er das Pfarrhaus in Eichen.

Berta Meyer wurde am 24. September 1848 in Burghaun (Kreis Hünfeld) nördlich von Fulda als Tochter des Kreisgerichtsrats Wilhelm Möller und seiner Frau Luisa geboren. Sie heiratete den Apotheker Richard Meyer, mit dem sie eine Tochter hatte, Minna, die wiederum am 21. September 1905 die Ehe mit Karl Wilhelm Castendyck einging.

Castendyck war am 27. Mai 1875 in Hanau geboren. Sein Vater Dr. phil. Wilhelm Castendyck war Gymnasialprofessor gewesen, seine Mutter Lisetta, geborene Metzger, stammte aus Hanau. Nach dem Eintritt in den Ruhestand lebte Castendyck zunächst in Hanau und ab 1944 in Windecken. Dort verstarb er am 18. Oktober 1947 im Alter von 72 Jahren. Bestattet wurde er auf dem Friedhof in Eichen im Grab seiner Frau und seiner Schwiegermutter.

Ausführliche Informationen zu Pfarrer Castendyck und seinem Wirken in Eichen enthält seine umfangreiche Pfarreichronik, die für die Jahre des Ersten Weltkriegs als Buch veröffentlicht wurde:

Karl Wilhelm Castendyck, Kriegschronik der evangelischen Pfarrei Eichen-Erbstadt 1914–1918. Hrsg. v. Jürgen Müller unter Mitwirkung v. Katja Alt und Friederike Erichsen-Wendt. (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, Bd. 176.) Marburg/Darmstadt 2017.

11) Paul Kamke (gest. 1952) und Thorolf Kamke (geb. 1920, vermisst 1945)

Eine auf dem Kirchplatz aufgefundene, in mehrere Teile zerbrochene Grabplatte trägt die Namen von Paul und Thorolf Kamke. Offenbar handelt es sich um Vater und Sohn. Über die Familie finden sich in den Kirchenbüchern keine Eintragungen. Nach mündlichen Überlieferungen bewohnte das Ehepaar Kamke nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Einfamilienhaus im ersten Neubaugebiet Eichens in der Vogerlsbergstraße 9 (heute Kastanienweg). nach dem Tod ihres Mannes verkaufte die Witwe das Haus und zog aus Eichen weg.

Die Grabplatte weist in ihrer Gestaltung keine religiösen Merkmale auf. Es finden sich auf der 2 mal 1 Meter großen Platte keine christlichen Zeichen und keine biblische Inschrift. Auch der sonst übliche Wunsch „Ruhe in Frieden“ fehlt. Statt dessen ist oben links eine untergehende Sonne eingemeißelt, rechts daneben ein Eisernes Kreuz, und auf der rechten Seite der Platte findet sich ein etwa 1 Meter langer Degen. Die militärischen Zeichen deuten darauf hin, dass die Grabstätte an den Menschen in seiner Eigenschaft als Soldat erinnern soll. Die Grabplatte trägt eine Inschrift, von der nur noch ein Teil lesbar ist:

„Wozu der Welt offenbaren, was ich in schwerem Kampfe[sdr]ang mühsam […] geheimnisvoll […]auen, wenn i[…] […]nn mit Nacht umhüllt.“

Das Leben, so legen diese Zeilen nahe, ist ein schwerer Kampf, der letzten Endes vergeblich ist. Es hat keinen Sinn, der Mitwelt davon zu berichten, denn am Ende ist man von Dunkelheit umgeben. Das ist eine trostlose Auffassung, weit entfernt vom christlichen Glauben, der davon ausgeht, dass die Menschen auf Erden ein gottgefälliges Leben führen sollen, um dann im Tod Ruhe und Frieden zu finden, bis zur „frohen Auferstehung“, wie es auf den Grabsteinen von Anna Maria Lampert und Johann Conrad Lind steht. Die Grabstätte der Familie Kamke kündet vom vergeblichen Kampf, in dem die Familie zerbrochen ist. Der Vater starb nach „schwerem Kampfe“, der Sohn, Thorolf, blieb mit nur 25 Jahren im Krieg vermisst, die Mutter verlor frühzeitig ihren Sohn und ihren Ehemann.

Quellen und Literatur

Die Lebensdaten und weitere Angaben wurden den Kirchenbüchern entnommen, die im Pfarrhaus in Eichen aufbewahrt werden. Weitere Informationen enthält das von Pfarrer Wolfgang Zeihe verfasste Buch: Namen, Familien, Schicksale in Eichen und Erbstadt. Eine Familienchronik für zwei hessische Gemeinden. Neustadt an der Aisch 1957.